Hast du schon einmal von Earthing bzw. Erden gehört? Wie viele deiner Therapeuten und Ärztinnen haben dir dazu schon geraten? Da ich es seit einer Weile in jeden Therapieplan schreibe, erkläre und begründe, wurde es Zeit für diesen Artikel. Hier lernst du was Earthing ist und warum du und wie Earthing für deine Darmgesundheit nutzen solltest.
Earthing/Erden als neue/alte Grundsäule der Gesundheit und Medizin
Ein Review mit dem Titel „Integrative und lebensstilmedizinische Strategien sollten Erdung (Earthing) einschließen: Überprüfung von Forschungsergebnissen und klinischen Beobachtungen“ [Menigoz et al., 2020, Explore (NY)] stellt fest:
„Earthing (auch bekannt als Erdung) bezieht sich auf die Entdeckung, dass der Körperkontakt mit der natürlichen elektrischen Ladung der Erde die Physiologie auf den tiefsten Ebenen stabilisiert, Entzündungen, Schmerzen und Stress reduziert, den Blutfluss, die Energie und den Schlaf verbessert und ein größeres Wohlbefinden erzeugt. Diese Wirkungen sind tiefgreifend, systemisch und grundlegend und entwickeln sich oft rasch. Erdung ist so einfach wie das routinemäßige Barfußlaufen im Freien und/oder die Verwendung preiswerter Erdungssysteme im Haus, während man schläft oder sitzt – Praktiken, die eine verlorene und notwendige elektrische Verbindung mit der Erde wiederherstellen. Etwa 20 Studien haben bisher verblüffende Beweise für weitreichende und signifikante physiologische Verbesserungen erbracht, wenn der Körper geerdet ist, im Gegensatz zu ungeerdeten. Die Forschungsergebnisse sowie zahlreiche anekdotische Berichte zeigen, dass die Erdung eindeutig in die klinische Praxis der Präventiv-, Alternativ- und Lebensstilmedizin aufgenommen werden sollte und ein großes Potenzial hat, diese Ansätze effektiver zu machen.“
[Dickgedrucktes eigene Anmerkungen]
Für mich ist Erden noch viel mehr. Denn es ist auch ein wunderbarer und einfacher Weg, sich wieder mit der Natur zu verbinden. Wenn man nicht auf kaufbare Erdmatten fürs Bett und Büro zurückgreift, sondern bewusst vor die Tür geht, die Schuhe auszieht und auf dem Erdboden steht, passiert noch viel mehr: Wir erfahren natürliches Licht (ein Artikel dazu folgt), eine bewusste Auszeit und bekommen Reize für achtsame Erfahrungen für Körper und Geist. Es steht einerseits so wunderbar in Kontrast mit unserer modernen, technisierten Welt, die eine Quelle vieler gesundheitlicher Herausforderung ist, als auch andererseits für Simplizität, die sich in jeden Alltag integrieren lässt. Auch für Bettlägerige – ich komme darauf zu sprechen.
Ein paar wissenschaftliche Grundlagen zum Earthing
Unser Körper ist ein elektromagnetisches System, indem all unsere Zellen miteinander über elektrische Impulse kommunizieren. Hier fließen also tatsächlich Elektronen von einem Ort zum nächsten. Wenn wir mit isolierenden Schuhen durch die Welt gehen, dann fließen diese Elektronen primär in einem geschlossenen System in uns. Ziehen wir die Schuhe aus und stehen auf Erdboden, fließen Elektronenströme über unsere Hautgrenze hinweg in die Erde und umgedreht.
Zahlreiche Studien deuten darauf hin, dass Earthing dazu beitragen kann, freie Radikale im Körper zu neutralisieren. Freie Radikale sind instabile Moleküle, die Zellschäden verursachen können und mit verschiedenen Krankheiten in Verbindung gebracht werden. Durch die Aufnahme von Elektronen aus der Erde können diese freien Radikale stabilisiert werden. Darüber hinaus kann Earthing dazu beitragen, die natürlichen körpereigenen elektrischen Felder zu stabilisieren und zu harmonisieren.
Neu ist die Idee nicht: Auch in der Chinesischen Medizin wird von einem Fluss von Energie im Körper ausgegangen, der harmonisiert und verbessert werden kann. Indigene Weltanschauungen weisen seit jeher auf die heilende Kraft der Mutter Erde hin, welche über die Entdeckung des Earthings in der westlichen Denke eine neue Perspektive erreicht hat.
Wie kann Earthing die Darmgesundheit verbessern?
Während gezielte Studien zu Earthing in Verbindung mit Darmgesundheit noch fehlen, gibt es sie immer mehr zu Aspekten, welche die Darmgesundheit ausmachen. So gibt es sehr gute Hinweise, dass Earthing chronische Darmentzündungen lindern, die Darmflora stabilisieren und die Verdauungsleistung verbessern kann.
Entzündungen und Earthing
Chronische Entzündungen gelten als treibende Kraft hinter zahlreichen Erkrankungen, von Herz-Kreislauf-Erkrankungen über Autoimmunerkrankungen bis hin zu neurodegenerativen Erkrankungen. Entzündungsreaktionen sind eigentlich Teil unseres Immunsystems und dienen dazu, den Körper vor schädlichen Einflüssen zu schützen. Chronifizieren sich diese Reaktionen, können sie jedoch zu erheblichen gesundheitlichen Problemen führen.
Earthing könnte hier ansetzen, indem es die Aktivität des Immunsystems modulieren und so zu einer Reduzierung chronischer Entzündungen beitragen kann. Einige Studien deuten darauf hin, dass der Kontakt mit der Erde die Produktion entzündungsfördernder Botenstoffe hemmen und gleichzeitig die Bildung entzündungshemmender Substanzen fördern kann. Durch die Neutralisierung freier Radikale, die eine wichtige Rolle bei der Entstehung von Entzündungen spielen, könnte Earthing ebenfalls zur Linderung entzündlicher Prozesse beitragen.
Stressreduktion durch Earthing
Chronischer Stress aktiviert die HPA-Achse, eine komplexe neuroendokrines Zusammenspiel von Hypothalamus und Hypophyse im Gehirn mit unseren Nebennieren, welche Cortisol und Adrenalin ausschütten, um den Körper in Alarmbereitschaft zu setzen, die Durchblutung der Extremitäten anzukurbeln, genau wie Herzschlag und Glukosegenerierung (jepp, der Zucker geht hoch). Dabei wird die Durchblutung des Verdauungssystems gedrosselt, weil es wichtiger ist, vom Säbelzahntiger wegzurennen, als die Süßkartoffel zu verdauen. Auf Dauer fördert das Entzündungen im Körper. Diese Entzündungen können sich wiederum negativ auf die Darmflora auswirken und zu einer gestörten Darmbarriere führen.
Earthing, durch seine beruhigende Wirkung auf das Nervensystem, kann dazu beitragen, die HPA-Achse zu regulieren und so die Stressreaktion zu dämpfen. Dadurch wird indirekt die Darmgesundheit verbessert und das Risiko für stressbedingte Darmerkrankungen verringert.
Verbesserung der Nervenfunktion
Der Darm ist Sitz des sogenannten Enterischen Nervensystems. Es hat so viele Nervenzellen wie eine Hundehirn und ist damit wirklich nicht zu unterschätzen. Zudem laufen mehr Nervenfasern zum Gehirn als vom Gehirn zum Darm. (Wer hat hier wohl wirklich den Hut auf?) Es wird gern davon geschrieben, dass der Darm unser zweites Hirn sei. Tatsächlich ist es wohl unser erstes, denn dieses gab es schon bevor sich evolutionär ein Zentrales Nervensystem herausgebildet hat.
Das Enterische Nervensystem steuert in unserem Darm die Darmperistaltik, also wie der Nahrungsbrei fortbewegt wird. Kaffee zum Beispiel setzt u. a. hier an und aktiviert nicht nur unser Gehirn, sondern auch das Enterische Nervensystem, was die Darmbewegung erhöht und bei vielem zu einem baldigen Stuhlgang ruft.
Es ist aber auch an der Steuerung der Produktion von Verdauungsenzymen beteiligt. Dazu gleich mehr bei der „Stärkung der Darmflora“.
Schließlich entscheidet es auch darüber wie gut wir Nährstoffe aus der Nahrung aufnehmen können.
Die genaue Wirkweise, warum Earthing hier hilft, ist noch nicht erforscht. Hypothesen sprechen von verbesserter Nervenleistung, weil durch die Entzündungshemmung weniger Schäden an Nerven auftreten und Stress die Aktivität des Enterischen Nervensystems beeinflusst.
Ein ganz wichtiger Nerv ist übrigens auch noch der Vagusnerv, der längste Nerv im Körper, der alle Organe einschließlich Gehirn und Darm innerviert. Wenn dieser aktiviert ist, befinden wir uns in Ruhe und im Regenerationsmodus. Er ist der Nerv des Parasympathikus’. Nur wenn der Vagusnerv aktiviert ist, findet eine ausreichende Durchblutung der inneren Organe inklusive Darm statt. Logisch, dass wir nur dann wirklich gut verdauen können.
Stärkung der Darmflora
Eine gesunde Darmflora ist entscheidend für unsere Darm- und allgemeine Gesundheit. Es wird vermutet, dass Earthing indirekt die Zusammensetzung der Darmflora beeinflussen könnte, indem es das Immunsystem stärkt und so die Ansiedlung von schädlichen Bakterien erschwert. Außerdem reduziert es ja Stress und Stress ist eine der Hauptursachen, warum unser Verdauungssystem zu wenig Verdauungsenzyme produziert. Wenn nur halbverdaute Nahrung durch den Darm wandert, ist das eine der Hauptgründe für eine Verschiebung des Darmmikrobioms. (Deshalb bringt es auch so wenig, sich nur mit Probiotika zu berieseln und nicht an die Ursache zu gehen. Es wird sich sonst nichts ändern.)
Wie kann ich mich erden, wie kann ich Earthing in mein Leben integrieren?
- Nicht nur kostenfrei, auch doppelt und dreifach wirkungsvoll ist das Nach-Draußen-Gehen, Schuhe-Ausziehen und einfach Barfußgehen, Barfußstehen, Barfußsitzen. Man kann spazieren, was Bewegungsvorteile hat, aber man kann auch mit Buch und Laptop sitzen.
- Die Gesundheitsvorteile von Earthing sind so tiefgreifend, dass es anzuraten ist, dass auch Bettlägerige irgendwie in dessen Genuss kommen sollten. Die kostenarme Alternative ist es, ein leitungsfähiges Kabel mit dem Körper zu verbinden (um einen Zeh oder Finger wickeln z. B.) und das Kabel dann durch das Fenster entweder an einen naheliegenden Ast eines Baumes zu binden oder etwas in den Erdboden zu graben. Etwas mehr kostet die elegantere Lösung mit Erdungsmatten und Erdungslaken, die mit dem Erdungspol in der Steckdose verbunden werden (vorher sichergehen, dass der Erdungspol wirklich geerdet ist). Laken und Matten müssen mit nackter Haut berührt werden. Alle Kleidung isoliert.
- Im Winter, wenn man weniger gern barfuß ist, kann man sich bei Spaziergängen ganz hippiemäßig mit Bäumen verbinden. Man kann die bloße Stirn an einen Stamm lehnen oder auch die Hände anlegen. Je länger umso besser. 5 Minuten Earthing ist besser als nichts, aber eine halbe, ganze Stunde ist schon sinnvoll. Gerade im Winter machen sich Erdungsmatten sehr gut; sie sollten aber nicht den Gang nach draußen ersetzen.
- Gärtnern – ohne Handschuhe. Mit den Händen in der Erde buddeln, ist ebenso eine wunderbare Möglichkeit der Erdung, die nebenbei noch kreative Adern weckt oder gar kulinarische Genüsse stillen kann. Auch das Sammeln von Kräutern und Pilzen im Wald hilft, immer wieder Bodenkontakt aufzunehmen.
- Zum Schluss möchte ich noch auf die sogenannten Egyptian Postures, Ägyptischen Körperhaltungen, zu sprechen kommen. Man findet sie in den altägyptischen Statuen wieder. Die Personen werden zumeist barfüßig und gering bekleidet dargestellt, obwohl es weder an Schuhe noch an sonnenschützender Kleidung mangelte. In Kombination mit Geistreisen wurde von Jason Quitt ein quasi altägyptisches Qigong in unsere Zeit zurückgeholt. Das Buch gibt es nur auf Englisch, doch sind die Übungen leicht beschrieben. Der Rest des Buches stellt eher zusammeltes esoterisches Wissen dar, welches man nicht für die Übungen braucht und auch sonst kritisch gesehen werden kann. Die Übungen aber sind toll. Mit ihnen können wir noch gezielter beim Earthing aufladen, das Energiesystem ausgleichen, Blockaden lösen etc. Buchtipp: „Egyptian Postures of Power“ (Affiliate Link). Auf Youtube finden sich dazu auch Interviews und vielleicht Anleitungen.
Und selbstverständlich ist auch klassisches Qigong, Yoga, Gymnastik etc. barfüßig draußen erlebt, eine tolle Earthing-Gelegenheit.
Fazit
Die Darmgesundheit ist so individuell wie ein Fingerabdruck und spielt bei einer Vielzahl von Erkrankungen eine entscheidende Rolle, von chronischen Darmerkrankungen über Autoimmunerkrankungen bis hin zu psychischen Störungen wie Depressionen. Earthing kann als Teil eines ganzheitlichen Ansatzes dazu beitragen, das Gleichgewicht im Körper zu unterstützen. Dennoch ist es wichtig zu betonen, dass Earthing nicht die ganze Therapie sein kann, wenn ein System aus der Balance geraten ist. Gesunde Ernährung, Bewegung, Stresshygiene sind ganz wichtige Eckpfeiler, auf denen gemeinsam mit guter Diagnostik individuelle Bedürfnisse erkannt und mit verschiedenen Behandlungsmöglichkeiten adressiert werden können.