Nein, du brauchst keine vegane Praxis. Außer du bist selbst Veganerin. Oder du hast es ganz gern, wenn jemand für dich das Kleingedruckte liest und mit dem Blick auf Details bei gleichzeitigem Gesamtverständnis eine gute Qualitätskontrolle aller empfohlenen Heilmittel und Tests vollzieht.
„Iss‘ einfach mal was Ordentliches!“
Kennst du das? Du hast dich entschieden, deine Gesundheit selbst in die Hand zu nehmen und Verantwortung für dich und andere zu übernehmen. Vielleicht war das auch ein Grund dafür, warum du Veganerin geworden bist. Auch für Veganer ist das Leben nicht immer Zuckerschlecken (man kann erahnen, dass das gar nicht so gesund wäre). Stress und Umweltfaktoren, eigene Themen und Veranlagungen können auch uns in symptomatische Gefilde führen – sprich auch wir werden krank, vielleicht sogar richtig heftig.
Ein Gang zu ein oder mehreren Ärztinnen war wenig erfrischend, vor allem weil es ganz schnell hieß: „Iss‘ doch mal ’nen richtiges Steak, dann geht’s wieder besser.“ Sag nicht, dass dir das noch nicht passiert ist. Wer sich deshalb oder ohnehin bei Heilpraktikern umschaut, erntet hier aber ganz ähnlich deutliche Blicke oder Ansagen. Veganerinnen seien ja ganz schwierig, schwer zu beraten und eine absolute Herausforderung in der Therapie. Ich sage, dass das nur an zu wenig Kenntnis und Engagement liegt, sich in die Materie einzuarbeiten. Mir lag das quasi im veganen Blut (achja, Blutgruppe 0, die, die unter „Eingeweihten“ absolute Fleischesser sein sollten…).


Ja, vegane Ernährung darf etwas durchdacht werden
Es stimmt, dass Veganer ein paar Fallstricke in ihrer Ernährung haben. Einfach, weil uns viel zu wenig über Ernährung beigebracht wird und weil die intensive Landwirtschaft für Bodenarmut und Milieuverschiebung gesorgt hat. Es betrifft natürlich alle, dass sie weniger Mikronährstoffe als einst in ihrem Gemüse finden und dafür mehr schädliche Clostridien. Aber es sind auch jene Mikroorganismen von den Feldern verschwunden, die Vitamin B12 produzierten. Das wissen die meisten Veganerinnen, supplementieren dies brav und (Funfact:) haben damit weitaus weniger B12-Mangelzustände als Mischköstler:innen, denen eine Magenschleimhautentzündung das Leben schwer macht oder deren unerkannte Darmentzündung die Absorbtion von B12 verhindert. Darmentzündungen grassieren auch bei Veganer, aber das genommene B12 ist meist schon bioaktiv und braucht die Absorption im endständigen Dünndarm nicht mehr (bitte trotzdem therapieren).
Während Vegetarierinnen einfach Fleisch, Fisch, Meeresfrüchte und – wenn sie drauf achten – mit Lab gereiften Käse, mit Gelatine, Knochenmehl und Fischblasen geklärte Weine, Säfte, Industriezucker und (Schweine)Lysozym zugesetztem Backwerk (nicht deklariert) aus ihrer Kost streichen und keinen Mangel zu befürchten haben, sieht es bei Veganern etwas anders aus. Ein bisschen mehr Know-How ist wirklich von gesundheitlichem Vorteil. Das Wissen darüber fließt ist meine Beratungen ein, aber es gibt auch einige gute Literatur darüber.
Therapeutisches Nischenwissen
Das Wissen darum erhält man als Heilpraktikerin oder Arzt nur, wenn man sich bewusst weiterbildet. Den meisten ist das Thema zu fremd und wenn die Therapie einen erhöhten Eiweißbedarf anzeigt, dann ist für viele Kolleginnen und Mediziner eben schnell Schluss mit der veganen Ernährung. Das kann ich wirklich verstehen und du vielleicht auch. Aber für gut müssen wir das noch lange nicht befinden und geholfen ist uns damit auch nicht.
Nein, wenn uns jemand anrät, dann doch mal wieder Fleisch zu essen, drehen wir uns unverstanden weg. Es muss einen anderen Weg geben, als Tieren für die eigene Gesundheit zu schaden. Und den gibt es!


Vegane Therapie – die nächste Hürde
Du denkst, wenn deine vegane Ernährung akzeptiert wird, bist du bei einem guten Heilpraktiker oder einer guten Ärztin gelandet? Die Richtung stimmt schon mal. Aber wer schaut schon auf die Inhaltsstoffliste mit veganem Blick? Es zählen Wirkstoffdosierungen und – hoffentlich – die Abwesenheit von kritischem Füllmaterial. Die Wirkstoffqualität, Aufbereitung, Dosierungsmöglichkeit ist absolut wichtig.
Aber wenn das Vitamin D3 dann aus Wollwachs gewonnen, die Kapselhülle aus Gelatine, das Überzugsmittel aus Schellack und die Bakterien auf Milchzucker gezogen sind, dann ist das keine vegane Therapie. Es gibt Veganerinnen, die sich dem dann beugen, Vergleiche anbringen, in den sauren Wurmapfel beißen. Aber was ist, wenn ich sage, dass es immer eine Alternative gibt!?
Durch meine langjährige Veganreise war während all meiner Weiterbildungen immer die erste Frage: Geht das auch vegan? Die intensiven Recherchen, das noch tiefere Verstehen, um Alternativen zu finden und neue Wege zu gehen, sind zeitaufwändig gewesen. Das kann man nicht von nicht-veganfreundlichen Praxen verlangen. Als Patienten müssen wir heute überall mitdenken, als Veganerinnen immer auf die Inhaltsstoffe blicken und teilweise therapieverzögernde Produktanfragen stellen. Ist es nicht toll, dass man sich das in einer veganfreundlichen oder veganen Praxis sparen und gleichzeitig auf sinnvolle und bewährte Wege vertrauen kann?